Die Eieruhr Praktikus, eine Erfindung aus Rees, konnte sich gegen die Sanduhr nicht durchsetzen. Darüber schrieb ich einen Artikel für die Neue Rhein Zeitung (NRZ). Kurz vor Ostern hole ich diesen für Sie aus meinem Archiv heraus:
REES. Ein Verkaufsschlager ist sie nicht geworden, die Eieruhr „Praktikus“, die ein Reeser Arbeiter der Galenuswerke vor rund 100 Jahren konstruiert hat. Trotz Patentanmeldung und Abbildung in einem Katalog. So wissen wir zwar heute, wie sie ausgesehen hat, während alle anderen Informationen nur sehr dürftig vorhanden sind. Weder in dem Unternehmen noch im Archiv des Rheinstädtchens befinden sich Konstruktionszeichnungen oder gar ein Exponat der Reeser Eieruhr.
Dabei übernehmen Eieruhren nicht nur zu Ostern einen wichtige Rolle: nämlich den Ehe- oder Familienfrieden zu bewahren. Denn schon bei Loriot erfahren wir, zu welchem Drama es führen kann, wenn das Frühstücksei zu weich oder zu hart auf den Frühstückstisch gelangt. Ob diese Erfahrung bei dem Erfinder der „Praktikus“ Pate gestanden hat, können wir heute nur noch vermuten. Eines geht allerdings aus der damaligen Werbung hervor: Wenn man die Kugel oben in eine der Öffnungen der quaderförmigen Eieruhr gelegt hat, ertönte zur rechten Zeit ein Glockensignal. Dabei konnte man die Öffnung W für weich und HH für halbhart wählen. 3,60 Reichsmark sollte das gute Stück kosten. Denkt man an die geringen Löhne um die Jahrhundertwende, ist das vielleicht mit ein Grund dafür, dass nur wenige Exemplare hergestellt wurden.
Dieses vermutete zumindest Dr. Helmut Langer, der Schwiegersohn des Apothekers Loos aus Ober-Ramstadt, dessen Ehefrau aus der Gründerfamilie der Galenuswerke stammte. Wilhelm van Galen gründete 1889 das Unternehmen, das bis heute besteht. Herstellungs- und Patentunterlagen sind entweder bei einem Brand 1930 oder in den Kriegsereignissen vernichtet worden. Das ergibt sich aus dem Briefwechsel, den Stadtarchivar Hermann Terlinden 1976 mit den Galenuswerken und Helmut Langer führte.
Aufmerksam wurde man damals auf die Existenz einer Reeser Eieruhr durch den Brief des Ingenieurs Werner Rüsch aus Hannover. Der hatte Opas Eieruhr, die Praktikus aus Rees, erstanden und interessierte sich insbesondere für deren Technik. Es war ihm nämlich nicht gelungen, die Uhr aus gebördeltem und gelöteten Weißblech wieder funktionstüchtig zu machen. Dabei kam es vor allem auf die Flüssigkeit an, die das Innere der Trommel füllt. So viel war sicher: Wasser war es nicht. Die Briefschreiber rätselten, ob die bewusste Substanz Benzin, Öl oder Glycerin gewesen sei.
Terlindens Nachfragen liefen letztendlich ins Leere, denn der Erfinder, ein einfacher Reeser Arbeiter, war 1945 gestorben und hat sein Geheimnis mit ins Grab genommen. Aber vielleicht gelingt es eines Tages doch noch, dieses Reeser Geheimnis zu lüften. (beh)